Nahaufnahme von Sonnencreme auf der Haut, Diskussion über verbreitete Mythen und Fakten zum Sonnenschutz. Aufklärung über den richtigen Umgang mit UV-Strahlen.

5 Sonnenschutz-Mythen: Ein Fakten-Check

Jedes Jahr mit den ersten Sommer-Tagen kommen sie wieder: Sonnenschutzmythen und gefährliche Misinformationen. "Voller toxischer Stoffe", "hormonell wirksam", "natürliche Alternativen", "ohne Chemie", "Vorbräunen", "Nimm Himbeersamenöl" usw. 

Überblick

  • Fakten zum Thema Hautkrebs
  • Kennst du eine gute Antwort auf diese fünf Sonnenschutz-Mythen?
  • Warum sind Sonnenschutz-Mythen so erfolgreich?
  • Warum sind auch scheinbar harmlose Mythen kritisch?

Zunächst ein paar Fakten:

Deutsche Dermatologische Gesellschaft: Es erkrankten im Jahr 2022 in Deutschland rund 330.000 Menschen neu an Hautkrebs (1).

Jeder, der aus Verunsicherung keinen oder weniger Sonnenschutz verwendet, erhöht sein Hautkrebs-Risiko. Ja, die Sonne gehört zum Leben dazu und hat viele positive Seiten. Aber ihre Strahlung ist definitiv auch krebserregend.

Bundesamt für Strahlenschutz: UV-Strahlen kann in Haut und Augen zahlreiche gesundheitliche Schäden verursachen - im schlimmsten Fall Hautkrebs (2).

Dabei kann der Schutz so vielfältig sein, sodass jeder etwas finden sollte, mit dem er sich wohl fühlt. Es stehen viele Varianten zur Auswahl: organische Sonnencremes, Naturkosmetik, Bio, Sprays, Sticks, Textil usw. Solange der Schutz nach ISO-Norm nachgewiesen ist (Kein DIY oder Öle!). 

Sonnenschutz mit hohem UVA-Anteil

Foto: von Nadine E via Unsplash

Fünf Mythen:

1. Wer vorgebräunt ist, braucht keinen Sonnenschutz!

Oh doch! UV-induzierte Bräune (IPF) verschafft maximal einen Schutzfaktor von 3-4. Viel zu wenig für einen langen Strandtag in der prallen Sonne (3).

2. Kokosöl ist eine super Alternative!

Kokosöl ist mit einem SPF von ca. 1 bis 3 je nach Studie sogar besonders schlecht. Aber auch andere Pflanzenöle schaffen selten mehr als 5. Ungenügend (4)!

3. Früher hatten die Menschen keinen Hautkrebs!

Früher sind die Menschen mit 30 gestorben und konnten als helle Hauttypen seltener in Äquatornähe sonnenbaden. Hautkrebs ist eine Alterserscheinung (aber nicht ausschließlich!) (5).

4. Mit SPF wird kein Vitamin D gebildet!

Jein, Sonnenschutz reduziert lokal die Vitamin D Bildung, aber im Alltag ist der Schutz unperfekt genug. In unseren Breiten müssen viele ohnehin supplementieren, da eine ausreichende Menge aufgrund des Sonnenstands im Winter gar nicht gebildet werden kann. Tabletten sind im Gegensatz zur Sonne nicht krebserregend (6).

5. gesunde bräune...

...gibt es nicht! Jede übermäßige Sonneneinwirkung summiert sich zum Hautkrebsrisiko (7).

>> Hier geht's zum Blog-Post "Lichtschutzfaktor: wie lange kann ich in der Sonne bleiben?"

Science

Foto: von Trnava University via Unsplash

Warum sind Mythen so erfolgreich?

Wie kann man Behauptungen zu Sonnenschutz Reflektieren. Dazu ein paar Mechanismen und Werkzeuge kurz erklärt, die häufig auch in Populismus und Wissenschaftleugnung allgemein zu finden sind:

1. Verlustaversion

Studien zeigen, dass wir lieber auf einen großen potentiellen Gewinn verzichten, als eine Kleinigkeit zu verlieren. Menschen sind Risikoavers und halten gerne am Ist-Zustand fest. Wenn durch Unterlassung ein Schaden entsteht, fühlt man sich weniger schuldig, als wenn man aktiv etwas negatives auslösen könnte. 

Bei einem Münzwurf mit 100 Eur Einsatz, muss man im Schnitt 250 Eur als Gewinn anbieten, damit Probanden das Spiel annehmen. Obwohl der Erwartungswert auch bei einem kleineren Gewinn positiv ist. Sie entscheiden sich gegen das Angebot, obwohl es rational die bessere Wahl wäre (8).

Daher sind wir so anfällig für “Warnungen”. Wenn wir verunsichert bzgl. Inhaltsstoffen sind, verzichten wir lieber komplett darauf. Dass der Verzicht dabei ein viel höheres Risiko beinhaltet, nämlich Hautkrebs durch Sonnenstrahlung, wird in dem Moment ausgeblendet. Kein Sonnenschutz ist definitiv nicht die sicherere Alternative!

2. Nauralistischer Fehlschluss

Ein Aspekt des Naturalistischen Fehlschlusses (engl. naturalistic fallacy) ist der Glaube, dass etwas in der Natur vorkommendes grundsätzlich gut ist. Dem entgegen stehen synthetisch hergestellte Substanzen wie z.B. UV-Filter (auch mineralische Filter werden übrigens industriell hergestellt und sind genauso wie jeder in der Natur vorkommende Stoff "Chemie").

Aber was ist mit unserem allseits bekannten Fliegenpilz? Viele Pflanzen wollen nicht gefressen werden. Wusstest du, dass man mit 2 Teelöffel eines von Bakterien produzierten Proteins die Weltbevölkerung auslöschen könnte? Eins der potentesten bekannten Gifte: Botox

Auf der anderen Seite kann man Wasser mit Wasserstoff und Sauerstoff synthetisch herstellen. Klar kommt es immer auf die genaue Substanz an. Weder “natürlich” noch “synthetisch” sind pauschal gut oder schlecht. Die Natur war in der Geschichte der Menschheit sehr oft tödlich und (medizinischer) Fortschritt hat unsere Lebenserwartung erst maßgeblich erhöht. Die Sonne ist nicht harmlos, nur weil es ohne sie kein Leben gibt.

3. Cherry Picking

Die Rosinenpickerei ist eine Technik der Wissenschaftsleugnung. Es werden bewusst nur Daten und Studien ausgewählt, die die eigene Position bestätigen. Dass dem gegenüber eine viel größere Menge an Forschungsarbeit steht, die das Gegenteil zeigen, wird ignoriert.

Ein Beispiel: Wer nur lang genug “Mensch Ärgere dich nicht” spielt, könnte evtl. 5 mal hintereinander eine eins würfeln. Wer diesen Augenblick isoliert betrachtet, könnte zu dem Schluss kommen, dass Würfel grundsätzlich nur Einsen liefern. Wer hätte denn da noch Lust auf das Spiel?

Daher ist es sinnvoll immer die Studienlage zu betrachten, um keiner Ausreißerstudie auf den Leim zu gehen. Reviews und Metastudien eignen sich für einen Überblick. Nur weil es grundsätzlich giftige Chemikalien gibt, ist nicht jedes Produkt “mit Chemie” giftig.

Warum auch scheinbar harmlose Mythen kritisch sind?

Dabei sollten wir auch aufpassen, selbst scheinbar harmlose Mythen nicht weiter zu verbreiten. Denn Mythen pflanzen sich fort und potenzieren sich. Beispiel:

Organische Filter absorbieren das Licht, mineralische Filter reflektieren es.

Falsch! Diese Ansicht ist längst überholt. Inzwischen weiß man, dass beide Filter-Arten die Strahlung hauptsächlich absorbieren. Mineralische Filter reflektieren zusätzlich zu ca. 5-15 % (9). 

Wieso ist es nun wichtig diesen Mythos nicht mehr weiterzutragen? Ist doch schön anschaulich? Menschen ziehen oft voreilig Schlüsse aus unvollständigen Informationen. Man könnte auf die Idee kommen, dass man mineralischen Schutz nicht nachtragen muss, oder dass organische Filter minderwertiger wären o.ä.

Sonnenschutz wird von mehreren Instanzen reguliert. Es ist wichtig und richtig weiter zu forschen, um Produkte noch sicherer für Mensch und Umwelt zu machen. Fakt ist aktuell dennoch:

Jede Verunsicherung, die zu weniger Sonnenschutz-Verwendung führt, schadet den Menschen mehr als sie nützt.  

 

Eure Ying

Ingenieurin, Cosmetic Scientist und Gründerin von Skingineered

Portrait von Ying Hösl, Ingenieurin für Verfahrenstechnik und Cosmetic Scientist, Gründerin von Skingineered, Expertin für wissenschaftlich fundierte Hautpflege.

Quellen:

(1) Berufsverband der Deutschen Dermatologen, Hautkrebsmonat Mai: Mach mit – schütze Dich!, https://derma.de/presse/uebersicht/detail/hautkrebsmonat-mai-mach-mit-schuetze-dich (Erstellt 06.05.2024)

(2) Bundestamt für Strahlenschutz, Schutz vor UV-Strahlung, https://www.bfs.de/DE/themen/opt/uv/schutz/schutz_node.html

(3) Sheehan JM, Potten CS, Young AR. Tanning in human skin types II and III offers modest photoprotection against erythema. Photochem Photobiol. 1998, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9796443/

(4) Ácsová A, Hojerová J, Janotková L, Bendová H, Jedličková L, Hamranová V, Martiniaková S. The real UVB photoprotective efficacy of vegetable oils: in vitro and in vivo studies. Photochem Photobiol Sci. 2021, doi: 10.1007/s43630-020-00009-3

(5) Moan J, Grigalavicius M, Baturaite Z, Dahlback A, Juzeniene A. The relationship between UV exposure and incidence of skin cancer. Photodermatol Photoimmunol Photomed. 2015, doi: 10.1111/phpp.12139

(6) Linos E, Keiser E, Kanzler M, Sainani KL, Lee W, Vittinghoff E, Chren MM, Tang JY. Sun protective behaviors and vitamin D levels in the US population: NHANES 2003-2006. Cancer Causes Control. 2012, doi: 10.1007/s10552-011-9862-0

(7) Barbara A. Gilchrest, Molecular Aspects of Tanning, Journal of investigative dermatology, 2011, doi10.1038/skinbio.2011.6

(8) Gesine Heeren, Neuronale Grundlagen der Verlustaversion, Dissertation, Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 2018

(9) Cole C, Shyr T, Ou-Yang H. Metal oxide sunscreens protect skin by absorption, not by reflection or scattering. Photodermatol Photoimmunol Photomed. 2016, doi: 10.1111/phpp.12214

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